Dr. Benjamin ThomasShimadzu Europa GmbH

Hau(p)tsache Sonnenschutz

Hau(p)t­sache Sonnen­schutz

Analyse von Sonnencreme mit dem Shimadzu UV-2600i, Integrationskugel und LabSolutions UV-Vis

Es ist so weit: Der Sommer ist hier, die Sonne steht hoch am wolkenlosen Himmel und es lockt der Strandurlaub. Doch zunächst heißt es: Schnell zur Drogerie und Sonnencreme einpacken! Wichtigstes Kaufkriterium: der Lichtschutzfaktor, der in großen Ziffern auf jeder Packung aufgedruckt ist. Da Sonnencreme hauptsächlich vor intensiver Strahlung im ultravioletten und sichtbaren Wellenlängenbereich schützt, ist die UV-Vis Spektroskopie perfekt, um diese Schutzwirkung zu quantifizieren. Mit der LabSolutions UV-Vis Automated-Control-Funktion kann die Auswertung per Makro automatisiert werden.

Sonnenschutzprodukte schützen unsere Haut vor Schäden durch ultraviolette und intensive sichtbare Lichtstrahlung, vom unangenehmen Sonnenbrand bis zum gefährlichen Hautkrebs. An Auswahl mangelt es nicht in den Regalen: Allerlei Sonnencremes, Sonnenmilch, Sonnensprays und weitere Produktbezeichnungen prangen auf sommerlich gestalteten Packungen.

Der erste Blickfang und oft auch wichtigstes Entscheidungskriterium ist in der Regel der Lichtschutzfaktor – oft 30 oder 50. Dieser ist ein Multiplikator für den Eigenschutz der Haut bei korrekter Anwendung des Sonnenschutzes.

Typ

Hautfarbe

Bräunung

Sonnenbrand

Hautkrebs

Eigenschutz [Min]

I

Sehr hell

Nur Sommersprossen

Häufig

Hohes Risiko

3 – 10

II

Hell

Minimal, langsam

Häufig

Hohes Risiko

10 -20

III

Mittel

Langsam

Manchmal

Risiko vorhanden

20 – 30

IV

Bräunlich

Schnell

Selten

Niedriges Risiko

> 45

V

Dunkel

Schnell

Kaum

Niedriges Risiko

> 60

VI

Dunkel bis Schwarz

Nicht relevant

Niemals

Niedriges Risiko

> 90

Tabelle 1: Hauttypen und Eigenschutzzeit.

Allen Produkten gemein ist, dass es sich um hautverträgliche Emulsionen handelt, die zumindest ein Lichtschutzmittel enthalten. Dieses diffundiert nach dem Auftragen in die Hornschicht der Haut und schützt sie vor Schäden durch Sonnenlicht – entweder bis zum Abbau durch absorbierte Strahlung oder bis zum Abwaschen. Grob unterscheidet man Öl-in-Wasser-Emulsionen („Sonnenmilch“) und Wasser-in-Öl-Emulsionen („Sonnenlotion“). Dünnflüssige Sonnenmilch lässt sich leichter auftragen, während die fettigere Sonnenlotion stabiler gegen Abwaschen beim Baden ist. Neben der klassischen Quetschtube gibt es auch Sprühflaschen und andere Formen, die eine einfachere Anwendung versprechen.

Abbildung 1: Reichlich Auswahl im Sonnencreme-Regal. Die Qual der Wahl beim Sonnenschutz.

Messtechnik in vitro

Der Lichtschutzfaktor und andere Parameter werden an freiwilligen Probanden in vivo oder an lebenden Zellen außerhalb des Körpers in vitro getestet [1]. Insbesondere zwei Gründe sprechen für eine Ermittlung in vitro: Bei In-vivo-Studien sind den Testparametern Grenzen gesetzt, um Verletzungen durch zu lange oder intensive Bestrahlung zu vermeiden. Zur Vergleichbarkeit verschiedener Proben ist außerdem eine definierte Probenpräparation entscheidend.

Die Vorschriften zur Ermittlung des Lichtschutzfaktors in vitro wurden durch die Interessengemeinschaft Cosmetics Europe (ehemals COLIPA) in den 1990er-Jahren festgelegt und zuletzt 2011 als öffentlich zugängliche Richtlinie zur Verfügung gestellt, da lange Zeit kein normiertes Verfahren verfügbar war. [2] Darauf basierend wurde die Norm ISO 24443 erarbeitet und in der aktuellen Fassung 2021 veröffentlicht. [3]
Nach COLIPA-Vorschrift wird das Produkt auf angeraute Platten aus Polymethylmethacrylat aufgetragen und in die Oberfläche mit definierter Rauheit einmassiert, was das Einmassieren in die Haut simuliert.

Die so präparierten Proben werden mithilfe einer Integrationskugel gemessen, um auch das gestreute Licht zu erfassen. Dabei handelt es sich um eine Hohlkugel, deren Innenseite mit einem hochreflektierenden Material beschichtet ist. Sämtliches durch die Probe transmittierte und gestreute Licht wird so lange an den Innenwänden der Integrationskugel reflektiert, bis es den Detektor trifft. Anschließend wird der Lichtschutzfaktor (Englisch: sun protection factor, SPF) – idealerweise automatisiert durch die Gerätesoftware – nach Gleichung 1 berechnet:

Gleichung 1: Berechnung des Lichtschutzfaktors.

In dieser Gleichung steht λ für die Wellenlänge in Nanometer, E(λ) für die Empfindlichkeit der Haut für Strahlung der Wellenlänge λ und S(λ) für die Intensität einer definierten Lichtquelle bzw. den UV-Anteil des Norm-Sonnenlichts. Beide Kurven sind in Abbildung 3 gezeigt. T(λ) ist die gemessene Transmission, normiert von 0 bis 1. Technisch sind nur bestimmte Lichtschutzfaktoren realisiert, nach denen das Sonnenschutzmittel in eine der vier Schutzklassen nach Tabelle 2 eingeteilt wird.

Im Grunde wird das Integral unter dem Spektrum mit dem Integral unter E(λ)*S(λ) normiert, um die Wechselwirkung mit „realem“ Sonnenlicht und der Haut zu simulieren. Gleichung 1 kann also zum besseren Verständnis grob zusammengefasst werden:

Gleichung 2: Vereinfachte Gleichung zur Beschreibung des Lichtschutzfaktors.

Aus der Formel ist ersichtlich, dass der Lichtschutzfaktor keine Einheit hat und größer wird, je kleiner die gemessene Transmission im UV-Bereich ist. Bei 100 % Transmission ergibt sich ein Faktor von 1 und somit die Eigenschutzzeit von ungeschützter Haut.

SPF

Schutzklasse

6, 10

Niedrig

15, 20, 25

Mittel

30, 50

Hoch

50+

Sehr hoch

Tabelle 2: Schutzklassen nach Lichtschutzfaktor.

Der Wellenlängenbereich von 315 bis 380 (UV-A) ist besonders relevant für die Bildung von Hautrötungen (Abb. 3). Ab 380 nm wird das Produkt aus Erythem-Wirkspektrum E(λ) (Erythem = Hautrötung) und Standard-Sonnenlicht S(λ) verschwindend gering. Daraus ergeben sich die Grenzen der Integrale in Gleichung 1 und allgemein die Einteilung in einen UVA- (315–380 nm) und einen UVB- (280–315 nm) Bereich. Viele Produkte sind explizit für UVA- und UVB-Schutz getestet und zertifiziert.

In der Fachliteratur werden neben dem SPF aus der ursprünglichen COLIPA-Richtlinie weitere Parameter definiert, die sich von dieser Formel ableiten: Das Erythem-Wirkspektrum kann durch eine Kurve ersetzt werden, welche die individuelle Empfindlichkeit eines Patienten bzw. Hauttyps beschreibt, etwa um Produkte auf ihre Wirksamkeit für Menschen mit Sonnenallergie zu testen. In diesem Fall spricht man von Photosensibilitäts-Schutzfaktor (Englisch: photosensitivity protection factor, PPF) [5]. S kann außerdem durch ein Lichtspektrum ersetzt werden, das relevanter für den Zielmarkt ist, z. B. Sommersonne in Australien, Sonnenbank.

Abbildung 2: PMMA-Platte nach COLIPA vor dem Verreiben der Sonnencreme (links) und bereit für die Messung an der Integrationskugel montiert (rechts).
Abbildung 3: Graphische Darstellung der Faktoren E und S und deren Produkt aus Gleichung 1 nach der Definition von Webb et al [3].

Automatisierte Auswertung dank Makro

Für diese Berechnungen wurde basierend auf der aktuellen Steuersoftware LabSolutions UV-Vis ein Makro entwickelt, das den kompletten Workflow von der Messung bis zum Bericht automatisiert (Abb.4).

In diesem Makro können beliebige Kurven für die Faktoren E und S geladen werden. Die Standardkurven und die CIE-Normlichtarten [6] (Abb. 3) sind bereits hinterlegt. Die Bezeichnungen bzw. Dateinamen der verwendeten Kurven werden zur lückenlosen Nachvollziehbarkeit der Auswertung im Bericht festgehalten. Der Nutzer wird durch die Messung der Proben geführt und die gemittelten Absorptionswerte werden automatisch nach jeder Messung ermittelt.

Zur Analyse wurden drei Platten mit einer Lichtschutzfaktor-30-Sonnencreme präpariert und an je vier verschiedenen Positionen gemessen, um Unregelmäßigkeiten bei der Präparation auszugleichen. Verwendet wurde ein Shimadzu UV-2600i mit ISR-2600- Integrationskugel.

Abgesehen vom Lichtschutzfaktor SPF bzw. PPF berechnet dieses Makro auch die kritische Wellenlänge und die Schutzwirkung in drei Wellenlängenbereichen, die bei der Formulierungsentwicklung ebenfalls relevant sind. Die kritische Wellenlänge entspricht dabei der Wellenlänge, unterhalb derer 90 % des gesamten Integrals unter dem Spektrum zu finden sind:

Gleichung 3: Berechnung der kritischen Wellenlänge.

Das bedeutet, dass Licht mit größerer Wellenlänge praktisch irrelevant für den Lichtschutzfaktor der untersuchten Sonnencreme ist. Ein sehr hoher Lichtschutzfaktor bei einer kritischen Wellenlänge von mehr als 380 nm erzeugt im Grunde ein falsches Sicherheitsgefühl, da die Schutzwirkung dann nicht hauptsächlich im UV-Bereich erzielt wird. Eine kritische Wellenlänge im Bereich um 315 nm bedeutet eine hohe Schutzwirkung im UVB-Bereich, aber deutlich geringeren Schutz im UVA-Bereich.

Neben SPF bzw. PPF – der für den Wellenlängenbereich von 290 bis 400 nm definiert ist – und der kritischen Wellenlänge sind noch die Schutzfaktoren in drei Wellenlängenbereichen besonders relevant:

  • Blaues Licht mit 380 bis 500 nm
  • Sichtbares Licht mit 380 bis 700 nm
  • Hochenergetisches Licht (Englisch: high-energy visible, HEV) mit 400 bis 500 nm

Schutz vor blauem Licht ist insbesondere für Menschen mit photoallergischer Dermatitis („Sonnenallergie“) relevant, da in diesem Wellenlängenbereich photochemische Reaktionen ausgelöst werden können, die entsprechende Symptome hervorrufen.
Insbesondere HEV-Licht als Teilbereich des blauen Lichts kann die Hautalterung beschleunigen und zu einer unregelmäßigen Pigmentierung der Haut führen. [7]

Der Wellenlängenbereich des sichtbaren Lichts über den HEV-Bereich hinaus steht üblicherweise nicht im Fokus, doch generell können je nach Allergen im gesamten sichtbaren Spektrum photochemische Reaktionen ausgelöst werden.

Da die Faktoren E(λ) und S(λ) bei Wellenlängen über 400 nm verschwindend klein werden und die Einheit % gefordert ist, kommt hier eine andere Formel zum Tragen. Der Schutzfaktor wird aus der durchschnittlichen Transmission im jeweiligen Wellenlängenbereich berechnet:

Gleichung 4: Berechnung der individuellen Schutzfaktoren.

T ist dabei die Transmission der Probe von 0 bis 100 % bei jeder gemessenen Wellenlänge λ und n ist die Gesamtzahl der Messpunkte des Spektrums. 0 % Transmission bedeutet also 100 % Schutz und umgekehrt. Die Grenzen der Summe ergeben sich aus dem geforderten Wellenlängenbereich, wie oben beschrieben.

Abbildung 4: Oberfläche des LabSolutions UV-Vis Sonnenschutz-Makros. Links sind die berechneten Parameter und die Probenbeschreibung zu sehen, rechts die Dateinamen der verwendeten Kurven.
Abbildung 5: Absorptionsspektren verschiedener Proben einer Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 30.

Weitere Anwendungen

Das Hauptaugenmerk liegt bei allen Parametern auf dem Schutz vor Strahlung im oder nah am ultravioletten Wellenlängenbereich, die Hautrötungen, Sonnenbrand und – schlimmstenfalls – Hautkrebs auslösen kann. Doch lässt sich die Messung auch auf Infrarotstrahlung mit Wellenlängen bis 2.500 nm anwenden. Infrarotstrahlung – auch als Wärmestrahlung bekannt – wird allgemein positiv empfunden und in der Medizintechnik und im Haushalt als wohltuende Wärmequelle genutzt. Doch exzessive Exposition zu intensiver Infrarotstrahlung kann unter anderem die Hautalterung beschleunigen, weshalb Sonnenschutzprodukte auch einen gewissen Schutz im nahen Infrarot bieten sollten [8].

Das Makro wurde daher so gestaltet, dass die ausgewerteten Wellenlängenbereiche je nach Anwendungsfall flexibel angepasst werden können. Mit einem Shimadzu UV-3600i Plus und der Integrationskugel ISR-603 sind Messungen von 220 bis 2.500 nm möglich. Ergänzend kann der UV-Schutzfaktor von Textilien mit der LabSolutions UV-Vis UPF-Software berechnet werden. Somit ist es möglich, den gesamten Themenkomplex „Sonnenschutz“ abzubilden – weit über den Lichtschutzfaktor auf den Sonnencremepackungen hinaus.

Literatur