Analyse von rotem Garn in historischen Wandteppichen

Analyse von rotem Garn in histo­rischen Wand­tep­pichen

HPLC-PDA-ESI-MS-Methode reduziert Probenbedarf bei der Textilanalyse

Mit der hier vorgestellten HPLC-PDA-ESI-MS-Methode können (insbesondere rote) Naturfarbstoffe identifiziert werden. An der Universität Mailand erfolgten Farbstoffanalysen von Wandteppichen des 17. bis 19. Jahrhunderts unter Verwendung eines Shimadzu LCMS-8045 mit einem UHPLC der Nexera-Serie mit Photodiodenarray-Detektor (PDA-Detektor), Elektrosprayionisation (ESI) und Triple-Quadrupol. Die Ergebnisse belegten eine ausgezeichnete und schnelle Identifizierung verschiedener Arten von Anthrachinonen in verschiedenen Farbstofftypen mit nur kleinen Probenmengen, selbst wenn die Konzentration der Farbstoffe im Laufe der Zeit abgenommen hat.

Erhaltung von historischen Wandteppichen für die Nachwelt

Historische und antike Wandteppiche sind ein bedeutender Teil des menschlichen Kulturguts. Früher galten diese als wichtiges Zeichen für Reichtum und Einfluss. Gleichzeitig vermittelten sie Kulturgeschichte sowohl für Schriftkundige als auch für Analphabeten. So entstand eine bildhafte Kunst, die mit Gemälden, Steinstatuen und Glasmalereien vergleichbar ist.

Anders als einige dieser Kunstwerke sind Wandteppiche (und Textilien im Allgemeinen) jedoch leicht zu transportieren. Auf diese Weise konnte eine kulturell bedeutsame Geschichte – etwa ein ruhmreicher Sieg oder ein zentrales religiöses Ereignis – überall dort, wo es genügend Platz zum Aufhängen der Wandteppiche gab, dargestellt und nacherzählt werden.

Wie alle bildnerischen Kunstwerke sind jedoch auch Wandteppiche mit der Zeit anfällig für Zersetzung und die meisten müssen schließlich professionell restauriert werden. Aufgabe der Restauratoren ist es, das Objekt durch gezielte Maßnahmen zu schützen und/oder es wieder in seinem ursprünglichen Glanz erstrahlen zu lassen. In jedem Fall müssen sie historisch authentische Materialien und Techniken einsetzen.

Eine Herausforderung stellt jedoch seit langem die erforderliche Probenmenge dar. Niemand will einen großen Teil aus einem historischen Wandteppich herausschneiden, um ihn zu analysieren. Aus diesem Grund gibt es nicht annähernd genug diagnostische Analysen historischer Farbstoffe und Materialien. Tatsächlich ist vieles über die im Laufe der Jahrhunderte verwendeten Materialien oder die zum Färben der Garne eingesetzten Farbstoffe unbekannt. Dies erschwert in vielen Fällen eine angemessene Restaurierung.

Die Rolle der Wissenschaft bei der Erhaltung des Kulturerbes

Die Probenmenge ist deshalb so wichtig, weil Wandteppiche häufig Zersetzungserscheinungen aufweisen. Diese beeinflussen die Farben und reduzieren die im Wandteppich enthaltene Farbstoffmenge. Hinzu kommt, dass das Vorhandensein von Chromophoren mit ähnlichen Strukturen die Identifizierung der Farbstoffe erschweren kann.[1]

Die Wissenschaftler des Fachbereichs Chemie an der Universität Mailand überlegten, ob es nicht eine bessere Methode zur Analyse von Farbstoffen geben könnte. Die beste Technik im Hinblick auf Selektivität und Effizienz war die Hochleistungsflüssigkeitschromatographie mit Massenspektrometrie-Kopplung (HPLC-MS), die auch die Auflösung komplexer Farbstoffgemische ermöglicht.[2] Zudem war bekannt, dass die Entwicklung von Tandem-Massenspektrometern mit der Möglichkeit, das Fragmentierungsmuster eines bestimmten Moleküls zu untersuchen, die Erkennung verschiedener Verbindungen, insbesondere von Isomeren, verbesserte.[3]

In Zusammenarbeit mit anderen Experten für die Restaurierung von Textilobjekten testeten die Wissenschaftler anhand dieser Methoden, ob mit kleineren Stichproben eine korrekte Identifizierung der Farbstoffe von Wandteppichen aus dem 17. bis 19. Jahrhundert möglich war, darunter Profeta, Sogno Arabo und Lucrezia. Den Schwerpunkt legten sie dabei auf rotes Garn.

Abbildung 1: Detail eines der Wandteppiche aus dem 19. Jahrhundert.
Abbildung 2: Rückseite des Wandteppichs mit Garnen in verschiedenen Rottönen.

Identifizierung von Naturfarbstoffen in historischen Wandteppichen mittels LC-MS/MS

Geräte

Die Analysen wurden unter Verwendung eines Shimadzu LCMS-8045 durchgeführt. Das Gerät war mit einem UHPLC der Nexera-Serie mit Photodiodenarray-Detektor (PDA-Detektor), Elektrosprayionisation (ESI) und Triple-Quadrupol ausgestattet und konnte sowohl im Scan- als auch im Produkt-Ionen-Scan-Modus betrieben werden. Außerdem kam eine Biphenyl-Säule zum Einsatz (2,1 x 100 mm, 2,7 μm) und als mobile Phase wurde ein Gradient aus Wasser (Elutionsmittel A) und mit Ameisensäure versetztes Methanol (Elutionsmittel B) gewählt. Der verwendete Gradient ist in Tabelle 1 aufgeführt.

Zeit (min)

A (% Konz.)

B (% Konz.)

0

95,0

5,0

1,00

90,0

10,0

3,00

45,0

55,0

10,5

0,0

100,0

12,00

0,0

100,0

12,01

95,0

5,0

0

95,0

5,0

Tabelle 1: Verwendete Steigung

Sensibilität und Unterstützung

Die Geräte von Shimadzu wurden aus zwei bestimmten Gründen gewählt. Zum einen werden die Geräte in der Wissenschaft aufgrund ihrer fortschrittlichen Technologie und allgemeinen Sensibilität sehr geschätzt. Dies war für die Forscher der Universität Mailand von besonderer Bedeutung, denn sie untersuchten, ob bereits eine sehr kleine Probe von zersetztem Material ausreichen würde, um ausgezeichnete Ergebnisse zu erzielen. Zum anderen bot Shimadzu Italia S.r.l. kompetente Unterstützung an, sodass die Wissenschaftler das Potenzial der Geräte bestmöglich ausschöpfen konnten.

Extraktion der Fasern

Die roten Farbstoffe wurden aus den Textilfasern extrahiert und nach einer zuvor festgelegten Methode [4, 5] mit einem Säure-Methanol-Gemisch aufbereitet. Die Proben wurden mit 3 ml CH3OH und 100 µl HCl behandelt. Die Lösung wurde eine Stunde lang in einem Wasserbad bei 70 °C belassen. Anschließend wurde die Lösung im Stickstoffstrom schonend getrocknet. Jegliche Rückstände wurden schließlich vor der Injektion in 120 µl CH3OH gelöst.[5, 6]

tR, min

[M-H], m/z

Fragment-Ionen, m/z (CE, V)

Munjistin

6,5

283

265 (20), 239 (20), 211 (20), 195 (20)

Pseudopurpurin

6,7

299

255 (20), 227 (40)

Lucidin

7,4

269

251 (20), 222 (20), 195 (40)

Alizarin

7,7

239

211 (20), 210 (40), 167 (20), 127 (40), 101 (40)

Xanthopurpurin

8,0

239

211 (20), 210 (40), 195 (20), 167 (40)

Purpurin

8,7

255

227 (20), 183 (40), 171 (40), 129 (40) 101 (40)

Rubiadin

8,9

253

225 (20), 209 (40), 195 (40)

Nordamnacanthal

10,8

267

239 (20), 211 (20), 195 (40)

Tabelle 2: Liste der in der Probe 1R identifizierten Verbindungen
Dr. Anna Baroni
Dr. Valeria Comite
Prof. Vittoria Guglielmi
Dr. Mattia Casanova

Dr. Paolo Redegalli
Prof. Paola Fermo

Analyse

Die Farbtöne der roten Garne von Wandteppichen aus verschiedenen historischen Epochen reichen von Rosa bis Violett (Abb. 1). Proben wurden entnommen und analysiert, um die Art der eingesetzten Farbstoffe und deren chemische Beschaffenheit zu bestimmen.

Zunächst standen Fasern aus einem Wandteppich aus dem 17. Jahrhundert im Fokus. Dabei zeigte sich, dass in allen untersuchten Proben Krapp als Hauptfarbstoff verwendet wurde. Insbesondere wurde das Vorkommen der Anthrachinonverbindungen Alizarin 239 m/z [M-H] und Purpurin 255 m/z [M-H] zusammen mit anderen Verbindungen untersucht (Tabelle 2). Alle nachgewiesenen Anthrachinone wurden sowohl mit der zuvor angelegten Datenbank als auch mit Daten aus der Literatur [7, 8, 9] abgeglichen.

Die Analysen von Garnen aus Wandteppichen aus dem 19. Jahrhundert (Abb. 2) ergaben, dass in allen Proben eine Mischung aus Krapp und Karmin eingesetzt wurde. Letzteres wurde durch das Vorhandensein von Karminsäure 491 m/z [M-H], Kermessäure 329 m/z [M-H] und Flavokermessäure 313 m/z [M-H] nachgewiesen (Tabelle 3). Alle nachgewiesenen Verbindungen wurden sowohl mit der zuvor angelegten Datenbank als auch mit Daten aus der Literatur [4, 10, 11] abgeglichen.

Ergebnisse

Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass sich die HPLC-PDA-ESI-MS-Technik hervorragend für die Identifizierung verschiedener Arten von Anthrachinonen in diversen Farbstoffen eignet, selbst bei historischen Artefakten, deren Farbstoffkonzentration im Laufe der Zeit abgenommen hat oder bei denen Zersetzungsprozesse stattgefunden haben. Darüber hinaus ergab die Betrachtung von Proben aus dem 19. Jahrhundert, dass die Verwendung einer Farbstoffmischung nachgewiesen werden kann. Insbesondere die Möglichkeit, die Fragment-Ionen-Spektren zu erfassen, war für die Bestätigung der Zuordnungen entscheidend.

tR, min

[M-H], m/z

Fragment-Ionen, m/z (CE, V)

dcll

4,4

475

431 (15), 353 (35), 341 (15), 311 (15), 282 (35)

Carminic acid

4,5

291

447 (15), 357 (15), 339 (35), 327 (15), 299 (35)
298 (55), 285 (35), 283 (35)

Flavokermesic acid

5,9

313

269 (15), 254 (35)

Kermesic acid

6,0

329

285 (25), 257 (35)

Munjistin

6,3

283

265 (20), 239 (20), 211 (20), 195 (20)

Pseudopurpurin

6,8

299

255 (20), 227 (20), 157 (40)

Alizarin

7,7

239

211 (20), 210 (40), 165 (40), 127 (40), 101 (40)

Purpurin

8,7

255

227 (20), 182 (40), 171 (40), 157 (40), 143 (40),
129 (40), 101 (40)

Nordamnacanthal

10,7

267

239 (20), 211 (20), 195 (20)

Tabelle 3: Liste der in der Probe SA3 identifizierten Verbindungen

Mehr Ergebnisse mit weniger Proben

Verfahren zur Extraktion von Farbe aus Fasern waren bereits vorhanden. Die Forscher der Universität Mailand stellten jedoch fest, dass dank neuer Methoden und Technologien heute eine schnellere Datenerfassung möglich ist. Sie kamen außerdem zu dem Schluss, dass die verschiedenen Arten von Anthrachinonen in diversen Farbstofftypen anhand von nur sehr kleinen Probenmengen identifiziert werden können, selbst bei Artefakten, deren Farbstoffkonzentration im Laufe der Zeit abgenommen hat.

Diese Erkenntnis ist für die Erhaltung und Restaurierung aller historisch wertvollen Textilien von großer Bedeutung. Die HPLC-PDA-ESI-MS-Methode liefert nicht nur die Informationen, die für eine fachgerechte Restaurierung eines Objekts notwendig sind, sondern auch einen minimalinvasiven Ansatz, der die Unversehrtheit des untersuchten Objekts gewährleistet.

Diese Studie ergänzt nicht nur das Wissen über die historische Textilherstellung, sondern liefert auch ein dringend benötigtes Hilfsmittel für die intensive Erforschung eines Teils unseres gemeinsamen menschlichen Kulturerbes. Dies ist für Kunsthistoriker und Restauratoren, für die gesamte wissenschaftliche und diagnostische Fachwelt und für alle, die mehr über die Vergangenheit in Erfahrung bringen möchten, von großem Interesse.

Quellenangaben

  • Raffaëlly L. et al, Optimisation of ESI-MS detection for the HPLC of anthraquinone dyes, in Dyes and Pigments, 77, 2008, 191-203.
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  • Balakina G. G. et al., HPLC and molecular spectroscopic investigations of the red dye obtained from an ancient Pazyryk textile, in Dyes and Pigments, 71, 2006, 54-60.
  • Fermo, P., Comite, V., Guglielmi, V., Schiavoni, M., Boanini, E., Bonomi, R., Monfasani, E. Red organic colorant used to dye textile artifacts: From mock-up samples preparation to analytical characterization (2020) International Journal of Conservation Science, 11 (SpecialIssue1), pp. 371-378.
  • De Luca E. et al., Multi-technique investigation of historical Chinese dyestuffs used in Ningxia carpets, in Archaeol. Anthropol. Sci., 9, 2017, 1789-1798.
  • Colombini M.P., Colour fading in textiles: A model study on the decomposition of natural dyes, in Microchemical Journal, 85, 2007, 174-182.
  • Derksen G. C. H. et al., Analysis of anthraquinones in Rubia tinctorum L. by liquid chromatography coupled with diode-array UV and mass spectrometric detection, in Journal of Chromatography A, 978, 2002, 119-127.
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  • Szostek B. et al., Investigation of natural dyes occurring in historical Coptic textiles by high-performance liquid chromatography with UV-Vis and mass spectrometric detection, in Journal of Chromatography A, 1012, 2003, 179-192.
  • Lech K., Jarosz M., Identification of Polish cochineal (Porphyrophora polonica L.) in historical textiles by high-performance liquid chromatography coupled with spectrophotometric and tandem mass spectrometric detection, in Anal. Bioanal. Chem., 408, 2016, 3349-3358.
  • Lech K. et al., Identification of unknown colorants in pre-Columbian textile dyed with American cochineal (Dactylopius coccus Costa) using high-performance liquid chromatography and tandem mass spectrometry, in Anal. Bioanal. Chem., 407, 2015, 855-867.