Den Emissionskreislauf schließen

Die Rolle der TOC-Analyse im Streben nach CO2-Neutralität

Markus Janssen, Shimadzu Europa GmbH

Markus JanssenShimadzu Europa GmbH

Die Kohlenstoffneutralität, ein wichtiges Ziel im Kampf gegen den Klimawandel, erfordert ein feines Gleichgewicht zwischen Kohlenstoffemissionen und -abbau. Störungen des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs verschärfen die Herausforderungen des Klimawandels. Umweltfreundlichere Technologien und innovative Negativemissionstechnologien (NET) sind der Schlüssel zum Erreichen der CO2-Neutralität. Die TOC-Analyse spielt eine wichtige Rolle bei der Quantifizierung der Kohlenstoffdynamik, der Bewertung von kohlenstoffbindenden Materialien wie Beton und der Verbesserung der Nachhaltigkeit. Durch den Einsatz von TOC-Analysen zum „Schließen des Emissionskreislaufs“ wird ein effektives Kohlenstoffmanagement der Weg in eine grünere Zukunft.

Im Rahmen der Bekämpfung des Klimawandels und der Bemühungen um eine nachhaltige Zukunft gewinnt das Konzept der CO2-Neutralität zunehmend an Bedeutung. Der Begriff wird oft synonym mit der Bezeichnung „Netto-Null-Emissionen“ verwendet und bezeichnet den Zustand, in dem die Freisetzung von Kohlendioxid (CO2) und anderen Treibhausgasen in die Atmosphäre durch den Abbau oder die Einsparung einer gleichwertigen Menge ausgeglichen wird. CO2-Neutralität ist ein wichtiges und sich ständig weiterentwickelndes Ziel, das durch laufende Forschung und kontinuierliche technologische Fortschritte gekennzeichnet ist. Sie stellt einen wichtigen Schritt bei der Stabilisierung des Erdklimas und der Erhaltung unseres Planeten für künftige Generationen dar.

Das Hauptproblem ist, dass die übermäßige Freisetzung von Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre größtenteils vom Menschen verursacht und der natürliche Kohlenstoffkreislauf dadurch gestört wird – mit alarmierenden Folgen. Dieser Kreislauf ist ein sensibler Prozess, der den Austausch von Kohlenstoff zwischen der Atmosphäre, den Ozeanen, dem Erdboden und lebenden Organismen regelt und in einem noch nie da gewesenen Ausmaß durchbrochen wird. Gerät dieses Gleichgewicht außer Kontrolle, so verschärfen sich dadurch die Herausforderungen des Klimawandels.

Zwei sich ergänzende Wege zur CO2-Neutralität

Zunächst einmal müssen die Emissionen an der Quelle durch den Einsatz umweltfreundlicherer Technologien und nachhaltiger Praktiken reduziert werden. Der zweite entscheidende Aspekt könnte die Einführung von Negativemissionstechnologien (NET) sein. Bei diesen innovativen Ansätzen liegt der Schwerpunkt auf der Bindung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre und der aktiven Kompensation der verbleibenden Emissionen. Ein wichtiges Merkmal von NET ist, dass sie die natürliche Dynamik in ihren CO2-Bindungsmechanismen nachahmen.

Verständnis der Kohlenstoffkomplexität als Schlüssel

Auf dem Weg zur CO2-Neutralität muss Kohlenstoff in seinen verschiedenen Formen erforscht werden. CO2 ist ein wesentlicher natürlicher Bestandteil der Atmosphäre und nicht grundsätzlich problematisch. So dienen die Weltmeere beispielsweise als riesige Kohlenstoffsenken, die etwa 25 % der CO2-Emissionen aufnehmen und zum gelösten anorganischen Kohlenstoff (DIC), dem gesamten anorganischen Kohlenstoff (TIC) und dem gesamten organischen Kohlenstoff (TOC) beitragen. Wenn sich CO2 in Wasser löst, bildet es Kohlensäure (H2CO3), die wiederum in zwei Ionen zerfällt: Bicarbonat (HCO3) und Carbonat (CO32–). Dieses Gleichgewicht hängt vom pH-Wert des Wassers ab (Abbildung 1).

Zum TIC gehören diese anorganischen Formen des Kohlenstoffs, die zusammen die Summe des Kohlenstoffs für die potenzielle Freisetzung von gasförmigem CO2 unter bestimmten Bedingungen darstellen. Ein Teil des Kohlenstoffs verbleibt in den Ozeanen, da er von kalkskelettbildenden Lebewesen gebunden wird. Im Laufe der Zeit bilden sich aus diesen Überresten Sedimentgesteine, die den Kohlenstoff über Millionen von Jahren effektiv speichern. Algen und Phytoplankton wandeln CO2 in Biomasse um, eine Form des gesamten organischen Kohlenstoffs (TOC). Wenn sie von anderen Organismen gefressen werden, steigt der organische Kohlenstoff in der Nahrungskette auf, wodurch sich der TOC-Gehalt in der gesamten Ökosphäre erhöht. Sowohl der TIC- als auch der TOC-Zyklus ermöglichen Formen der Kohlenstoffbindung.

Die Bedeutung von NET im Kampf gegen den Klimawandel

Negativemissionstechnologien (NET) sind vom Menschen geschaffene Methoden zur Bindung von Kohlenstoff, um CO2 aus der Atmosphäre oder aus Emissionsquellen zu entfernen. Für die Entwicklung effektiver NET ist die Messung sowohl des gesamten organischen Kohlenstoffs (TOC) als auch des gesamten anorganischen Kohlenstoffs (TIC) wichtig. TOC-Analysegeräte wie die Systeme TOC-L und TOC-4200 spielen dabei eine wichtige Rolle, da sie auf dem Prinzip des inneren Kohlenstoffkreislaufs beruhen. Durch die Oxidation bei hohen Temperaturen werden organische Kohlenstoffverbindungen in Kohlendioxid (CO2) umgewandelt, das dann mit nichtdispersiven Infrarotdetektoren (NDIR-Detektoren) quantifiziert werden kann. Auch kann der pH-Wert der Probe verändert werden, um gelöstes Kohlendioxid (CO2) aus anorganischen Kohlenstoffquellen freizusetzen, das ebenfalls mittels NDIR quantifiziert werden kann. Dieser integrierte Ansatz liefert wertvolle Einblicke in die Kohlenstoffzusammensetzung und trägt so zur Entwicklung effektiver NET und nachhaltiger Strategien für das Kohlenstoffmanagement bei.

Mikroorganismen als Lösung für ein großflächiges Problem

Wie in dem Buch „Der Krieg der Welten“ von H. G. Wells könnten Bakterien der Schlüssel zur Rettung unseres Planeten und unserer Spezies sein. Obwohl allgemein bekannt ist, dass Pflanzen und Mikroalgen in der Photosynthese CO2 nutzen, um ihre eigenen Nährstoffe zu produzieren, könnte doch die primitive Lebensform der Bakterien gegenüber diesen Organismen deutliche Vorteile haben. Sie weisen deutlich höhere Wachstumsraten und beschleunigte Lebenszyklen auf, gedeihen in hohen Populationsdichten in Kulturen und lassen sich leicht genetisch manipulieren. Wie andere Mikroorganismen zeigen auch Bakterien ein bemerkenswertes Potenzial für die Produktion einer Vielzahl von Bioalkoholen und Fettsäuren, die für verschiedene industrielle Anwendungen (z. B. in der Ölproduktion) notwendig sind. Wissenschaft und Industrie machen sich die einzigartigen Eigenschaften photosynthetischer Bakterien zunutze und erforschen innovative Ansätze, um den industriellen Anforderungen gerecht zu werden und nachhaltige biotechnologische Fortschritte zu erzielen.

Abbildung 1: Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht im Wasser

In einer kontrollierten Laborumgebung ermöglicht der Einsatz eines TOC-L-Analysegeräts die Beurteilung der Aufnahme von Kohlendioxid durch mikrobiellen Stoffwechsel. Mittels TIC-Analyse wurde die ursprüngliche CO2-Menge, die in das geschlossene bakterielle Nährmedium eingebracht wurde, genau gemessen. Das Experiment wurde dann nach 3 und 24 Stunden genauestens wiederholt, sodass der zur Erhöhung der mikrobiellen Biomasse verwendete Kohlenstoff präzise quantifiziert werden konnte (Tabelle 1). Dieser detaillierte Ansatz liefert wertvolle Einblicke in die Dynamik der mikrobiellen Kohlenstoffverwertung.

Vor allem zeigt dieser natürliche Prozess, dass Mikroorganismen in der Lage sind, Kohlendioxid aktiv zu binden und umzusetzen. Innerhalb von 24 Stunden konnte eine Menge von etwa 5 g CO2 pro Liter Medium effektiv gebunden werden. Gleichzeitig entstand wertvolle Biomasse, die zu Biokraftstoff oder anderen wertvollen Rohstoffen verarbeitet werden kann. Die produzierte Biomasse kann außerdem mittels TOC-Analyse genau gemessen werden. So können Forscher den Gehalt an organischem Kohlenstoff genau quantifizieren und bekommen ein ganzheitliches Bild von der mikrobiellen Biomasse, die während des Prozesses entsteht.

Mit Baustoffen gegen den Klimawandel: kohlenstoffbindender Beton

Die Zementherstellung hat maßgeblich Anteil an globalen CO2-Emissionen (ca. 4,5 % der weltweiten Emissionen [1]) und verstärkt damit den Treibhauseffekt und die globale Erwärmung. CO2 wird bei der Zementherstellung freigesetzt, wenn Kalkstein, ein Hauptbestandteil von Zement, in einem Drehrohrofen auf hohe Temperaturen erhitzt wird, um Klinker zu erzeugen. Bei der anschließenden Herstellung von Beton durch das Vermischen von Zement, Wasser und Zuschlagstoffen wird zusätzliches CO2 freigesetzt, wenn der Zement hydratisiert und aushärtet. 

Bei kohlenstoffbindendem Beton handelt es sich um eine spezielle Form von Beton, die während des Aushärtungsprozesses aktiv CO2 aufnimmt und speichert. Bei diesem innovativen Ansatz werden dem Beton etwa mineralische Zusatzstoffe beigemischt, die beim Aushärten des Betons mit dem CO2 aus der Atmosphäre reagieren und es in eine mineralische Form umwandeln, wodurch der Kohlenstoff in der Betonstruktur gespeichert wird.

Die TIC-Analyse wird eingesetzt, um die Kohlenstoffbindungsfähigkeit dieses Betons zu bewerten. Andere Methoden, wie thermische Analysen oder Titration einer Salzsäurelösung, können ebenfalls dazu verwendet werden. Sie sind jedoch wesentlich zeitaufwendiger und eignen sich nur zur Analyse von kleinen Probenmengen, was aufgrund ungleichmäßiger Probenverteilung zu verzerrten Ergebnissen führen kann. Mithilfe des TOC-L mit Feststoffmodul SSM-5000A lassen sich gemahlene und getrocknete Betonproben schnell, einfach und präzise analysieren, indem sie zur Analyse einfach in ein Probenschiffchen eingewogen werden.

Im Rahmen eines Experiments (Tabelle 2) wurden zwei Arten von Betonproben untersucht: Normalbeton und CO2-bindender Beton. Nachdem die Proben zu Pulver gemahlen wurden, wurden jeweils 50 mg davon in Probenschiffchen eingewogen. Die Proben wurden mit Phosphorsäure beträufelt und der Gehalt an anorganischem Kohlenstoff (IC) wurde mit dem Feststoffmodul SSM‑5000A gemessen. Der CO2-bindende Beton wies ein bis zu fünfmal höheres CO2-Bindungspotenzial auf als herkömmlicher Beton, wodurch seine effektive Absorptionsfähigkeit deutlich wird.

DACCS: direkte CO2-Abscheidung und -Bindung aus der Luft

Bemühungen, Emissionen durch die Bindung von CO2 in Produkten zu reduzieren, sind lobenswert, reichen aber wahrscheinlich nicht aus, um negative Emissionen zu erreichen. Die DACCS-Technologie (Direct Air Carbon Capture and Storage, direkte CO2-Abscheidung und -Bindung aus der Luft) befindet sich noch in der Entwicklung. Sie bietet eine innovative Möglichkeit, der Atmosphäre aktiv Kohlenstoff zu entziehen und ihn sicher etwa in Form von stabilem Karbonatgestein zu speichern. Durch die Integration eines Online-TOC-Analysators lassen sich wertvolle Informationen über die dafür nötigen Prozessschritte gewinnen. Das System überwacht kontinuierlich den TOC- und TIC-Gehalt der Flüssigkeit für die direkte Luftabscheidung vor der Injektion in eine unterirdische Lagerstätte und stellt sicher, dass alle organischen und anorganischen Bestandteile erfasst werden. Dadurch werden eine genaue Kohlenstoffbilanzierung und die Beurteilung des gesamten Kohlenstoffbindungsprozesses ermöglicht.

Etwa wie einen künstlichen Baum kann man sich die Direct-Air-Capture(DAC)-Technik vorstellen, die der Entnahme von CO2 aus der Luft dient. Nach der Reinigung entspricht das komprimierte Gas den Bedingungen für den Transport zur vorgesehenen Lagerstätte. Dort wird es mit hochgepumptem Grund- oder Meerwasser in unterirdische Gesteinsformationen gepresst. Das CO2 löst sich im Wasser, wo es sich mit Mineralien verbindet und im Laufe von Monaten im porösen Basalt Karbonatgesteinstaschen bildet, die über geologische Zeiträume stabil bleiben. Durch die unterirdische Injektion mit Wasser wird das Risiko eines Gasaustritts ausgeschlossen und eine sichere langfristige Kohlenstoffspeicherung ermöglicht. Bei anderen Methoden, die derzeit entwickelt werden, wird gasförmiges CO2 oder superkritische Flüssigkeit in geeignete Lagerstätten wie salzführende Grundwasserleiter oder erschöpfte Öl- und Gasreservoirs eingeleitet.

Dank ihrer Fähigkeit, sowohl organische als auch anorganische Kohlenstoffquellen zu quantifizieren, erleichtern TOC-Analysegeräte die Entwicklung effektiver Negativemissionstechnologien (NET), die natürliche Kohlenstoffbindungsmechanismen nachahmen. Sie liefern unschätzbare Einblicke in die Kohlenstoffdynamik und spielen eine Schlüsselrolle bei der Erreichung der CO2-Neutralität, da sie die Beurteilung der Effizienz von kohlenstoffbindenden Materialien wie Beton ermöglichen. Analysatoren mit TIC-Analysefähigkeit, wie der TOC-L und TOC-4200, sind wichtig für die Entwicklung und Umsetzung der Kohlenstoffbindung und aufstrebender Technologien wie der direkten Luft-Kohlenstoff-Abscheidung und -Speicherung (DACCS). Indem sie die vollständige Erfassung des Kohlenstoffflusses durch TOC-/TIC-Analyse ermöglichen, tragen diese Analysegeräte erheblich zur Schaffung einer nachhaltigen Zukunft bei. Sie ermöglichen ein umfassendes Verständnis und die Quantifizierung der Kohlenstoffdynamik in diesen Prozessen und ebnen so den Weg für ein effektives Kohlenstoffmanagement und einen grüneren Planeten.

Verstrichene Zeit

TIC-Konz. [mg C/l]

Variationskoeffizient [%]

Mikrobiologisch gebundenes CO2 gesamt [mg/l]

0 Stunden

1.694

0,45

0,00

3 Stunden

1.163

0,95

1.943,46

24 Stunden

288,3

1,26

5.144,86

[CO2/C]: 44,01 g/mol / 12,01 g/mol = 3,66

Tabelle 1: CO2-Bindung durch mikrobiellen Stoffwechsel

Probe

TIC-Ergebnis [wt-% C]

Variationskoeffizient [%]

CO2-Potenzial [wt-%]

Herkömmlicher Beton

1,41

2,96

5,16

CO2-bindender Beton

6,76

2,01

24,74

[CO2/C]: 44,01 g/mol / 12,01 g/mol = 3,66

Tabelle 2: Beurteilung von kohlenstoffbindendem Beton

Rückkehr der Menschheit zur Natur

Das Klima ist wie ein großes Puzzle, das durch den menschlichen Einfluss durcheinandergebracht wurde. Kürzlich haben die Vereinten Nationen den Begriff „globale Erwärmung“ in „globales Brodeln“ umbenannt und damit die Dringlichkeit, mit der wir konfrontiert sind, noch stärker betont. Mehr denn je nehmen wir dies deshalb zum Anlass, bessere Antworten zu finden. Durch die Implementierung von NET, die natürliche Mechanismen nachahmen, gelingt es uns, Kohlenstoff in Bindungsprozessen (CO2-Gas zu Flüssigkeit/Feststoff oder CO2 zu Biomasse) vollständig zu bilanzieren. Durch diesen Wandel können wir nicht nur unsere Produkte und unsere Lebensweise neu ausrichten, sondern auch unsere Beziehung zur Natur, unserem wichtigsten Verbündeten, und den natürlichen NET.

[1] Statista: Carbon dioxide emissions from the manufacture of cement worldwide from 1960 to 2021 https://www.statista.com/statistics/1299532/carbon-dioxide-emissions-worldwide-cement-manufacturing/; Annual carbon dioxide (CO₂) emissions worldwide from 1940 to 2022 https://www.statista.com/statistics/276629/global-co2-emissions/