Im Verborgenen schlummerndes Potenzial
Unerwartete Entdeckung: Überraschung aus dem Labor zur Flüssigchromatographie mit überkritischem Kohlendioxid (SFC)
Víctor Cutillas, European Union Reference Laboratory for Pesticide Residues in Fruit & Vegetables, University of Almería
An der Universität von Almería in Spanien verwendeten Víctor Cutillas und sein Team analytischer Chemiker die gängige Standardmethode zur Analyse von Pestizidrückständen in Obst und Gemüse. Als Absicherung wandte das Team zusätzlich eine alternative Methode an. Im Laufe der Arbeit wurde dem Team jedoch bewusst, wie gut die alternative Methode funktionierte. War sie vielleicht sogar besser als die primäre Methode? Víctor Cutillas beschloss, dass er dieser Frage auf den Grund gehen wollte. Also begann er mit einer vergleichenden Untersuchung der beiden Systeme.
Víctor Cutillas analysiert Pestizidrückstände im EU-Referenzlabor für Pestizidrückstände in Obst und Gemüse (EURL-FV) an der Universität von Almería in Spanien. Die Analyse von Pestizidrückständen ist für die Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit und die Einhaltung von Vorschriften von entscheidender Bedeutung. Das EURL-FV trägt entscheidend zur Verbrauchersicherheit bei, indem es die Qualität, Genauigkeit und Vergleichbarkeit der Testergebnisse zur Lebensmittelsicherheit verbessert.
Die gebräuchlichste Methode in der Pestizidrückstandsanalyse ist die Umkehrphasen-Flüssigchromatographie in Kombination mit der Tandem-Massenspektrometrie (LC-MS/MS). Dies liegt an ihrer Robustheit und breiten Anwendbarkeit für semipolare und einige thermolabile Pestizide. Die überkritische Flüssigkeitschromatographie (Supercritical Fluid Chromatography, SFC), die in Bereichen wie dem Pharmasektor weit verbreitet ist, wird jedoch aufgrund ihrer Vorteile, etwa bei der Ionisierung, gelegentlich auch in der Pestizidrückstandsanalyse eingesetzt.
Irgendwann waren Cutillas und das EURL-FV-Team intensiv mit ihren Analysen beschäftigt und verwendeten sowohl LC-MS/MS- als auch SFC-MS/MS-Methoden. Je mehr Proben sie untersuchten, desto deutlicher wurde, dass thermolabile Verbindungen, die für gewöhnlich in der Ionenquelle leiden, bei Verwendung der SFC hier eine bemerkenswerte Stabilität aufwiesen. Darüber hinaus zeigten bestimmte Stoffgruppen bei der SFC eine weitaus bessere Empfindlichkeit als jemals zuvor bei der LC. Zwar erwarteten die Wissenschaftler eine gewisse Verringerung der Matrixeffekte durch die SFC, doch die Ergebnisse übertrafen ihre Erwartungen oft – manchmal sogar drastisch.
Vergleich der Leistung von LC und SFC bei der Analyse von Lebensmitteln auf mehrere Pestizidrückstände
Cutillas fragte sich, ob er und sein Team die potenziellen Vorteile der SFC für ihre Arbeit unterschätzt hatten, und beschloss, eine formelle Studie zu den beiden Methoden durchzuführen. Ziel der Studie war es, die Leistung der LC und SFC in Bezug auf 215 Pestizide in Obst und Gemüse unter Verwendung desselben Massenspektrometers (ein Nexera UC gekoppelt mit einem LCMS-8060, beide von Shimadzu) direkt zu vergleichen. Der Schwerpunkt lag auf der Empfindlichkeit, den Matrixeffekten und der Ionisierungseffizienz verschiedener Lebensmittelproben, darunter Tomaten, Lauch, Zwiebeln und Orangen.
Ermittelte Verbindungen
Empfindlichkeit und Temperatur der Ionenquelle
Im Rahmen der Studie wurden die optimalen Oberflächentemperaturen für die Elektrosprayionisation (ESI) beider Techniken beurteilt, da diese für die bestmögliche Empfindlichkeit bei der Pestiziderkennung von entscheidender Bedeutung sind. Diese Informationen sind in Abbildung 1 zusammengefasst. Die LC zeigte bei 350 °C eine leicht höhere Empfindlichkeit, wobei 95 % der Pestizide in einem reinen Lösungsmittel und 92 % in der Tomatenmatrix bei dieser Temperatur identifiziert wurden. Im Vergleich dazu zeigte die SFC über einen breiteren Temperaturbereich konstante Ergebnisse, wobei 99 % der Pestizide in einem reinen Lösungsmittel und 95 % in der Tomatenmatrix selbst bei niedrigeren Temperaturen wie 200 °C und 125 °C bestimmt wurden.
Bei komplexen Matrices wie Lauch und Zwiebeln wurden die Unterschiede deutlich. Bei Lauch wurden mithilfe der LC bei 350 °C 80 % der Pestizide identifiziert, bei 125 °C jedoch nur 69 %. Bei der SFC blieb die Identifizierungsrate hingegen bei allen Temperaturen höher und lag zwischen 83 % und 85 %. Bei Zwiebeln wurden mit der LC bei 350 °C 89 % der Pestizide nachgewiesen, bei 125 °C allerdings nur 67 %, während mit der SFC durchgehend 86–89 % identifiziert wurden. Dies deutet darauf hin, dass die SFC bei verschiedenen Temperaturen der Ionenquelle vielseitiger und ohne Beeinträchtigung der Empfindlichkeit eingesetzt werden kann, was für Labore, die mit einer Vielzahl von Lebensmittelproben arbeiten, von erheblichem Nutzen ist.
M.E. (%) | LC-MS/MS | SFC-MS/MS | |
Tomate |
0–20 |
90 % |
83 % |
Zwiebel |
0–20 |
11 % |
29 % |
Lauch |
0–20 |
5 % |
28 % |
Orange |
0–20 |
7 % |
53 % |
Empfindlichkeit der Stoffgruppen
Einzelne Stoffgruppen reagierten auf die jeweilige Chromatographietechnik unterschiedlich. So handelte es sich beispielsweise bei 27 % der 70 Verbindungen, die bei der LC eine höhere Empfindlichkeit zeigten, um Organophosphate. Carbamate, Harnstoffderivate und Triazine zeigten ebenfalls eine hohe Empfindlichkeit bei der LC, wobei 10, 7 bzw. 6 Pestizide mehr als 50 % höhere Flächenwerte als bei der SFC aufwiesen.
Umgekehrt handelte es sich bei 22 % der 77 Verbindungen, die bei der SFC eine höhere Empfindlichkeit zeigten, um Triazole wie Bromuconazol und Cyproconazol. Auch bei anderen Gruppen, etwa Benzylharnstoffen und Neonicotinoiden, fielen die Ergebnisse der SFC besser aus. Diese erhöhte Empfindlichkeit ist vermutlich auf die Unpolarität des bei der SFC eingesetzten überkritischen CO2 in Verbindung mit seinem einzigartigen Elutionsmechanismus zurückzuführen. Die durchschnittlichen logPow-Werte fielen bei beiden Techniken ähnlich aus, was darauf hindeutet, dass die Polarität allein nicht die beste Methode für jedes Pestizid bestimmt. Anhand dieses differenzierten Verständnisses können Labore die am besten geeignete Technik basierend auf der chemischen Beschaffenheit der Analyten auswählen.
Matrixeffekte und Ionenunterdrückung
Matrixeffekte können die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Analyse von Pestizidrückständen erheblich beeinträchtigen. Die Studie ergab, dass die SFC eine geringere Ionenunterdrückung aufwies als die LC, insbesondere bei komplexen Matrices wie Lauch, Zwiebeln und Orangen. Beispielsweise wiesen beim Lauch nur 5 % der Pestizide im LC-Verfahren geringe oder nicht vorhandene Matrixeffekte auf (0–20 %), wohingegen 28 % der Pestizide bei der SFC in diese Kategorie fielen. Bei Zwiebeln sahen die Ergebnisse ähnlich aus: 11 % der mittels LC analysierten Pestizide zeigten geringe Matrixeffekte, verglichen mit 29 % bei der SFC.
Noch auffälliger war der Unterschied bei Orangen. Nur 7 % der mittels LC analysierten Pestizide wiesen geringe Matrixeffekte auf, während es bei der SFC 53 % waren. Diese Ergebnisse liefern die wichtige Erkenntnis, dass die SFC die durch koextrahierte Matrixkomponenten verursachte Ionenunterdrückung wirksamer reduziert. Dies ist auf die Effizienz der SFC bei der Zerstäubung und Probenahme zurückzuführen, die zu einer Minimierung der Koelution mit Matrixkomponenten führt. Auch die unterschiedlichen Elutionsprofile der SFC und der LC spielen eine entscheidende Rolle, wobei der einzigartige Mechanismus der SFC die Überlappung zwischen Analyten und störenden Substanzen reduziert und so die Empfindlichkeit und Messgenauigkeit erhöht (Abbildung 2).
Aus der vergleichenden Studie von Cutillas ging hervor, dass sowohl die LC als auch die SFC ihre Vorzüge hat, die SFC jedoch deutliche Vorteile bei der Analyse komplexer Lebensmittelmatrices mit vielen Koextrakten bietet. Da die Empfindlichkeit bei niedrigeren Temperaturen der Ionenquelle aufrechterhalten werden kann, eignet sie sich besonders für thermolabile Verbindungen. Für Routinelabore empfiehlt sich die Integration der SFC zur verbesserten Analyse von Pestizidrückständen in ihre Arbeitsabläufe. Bei der Entscheidung zwischen LC und SFC sollten die spezifischen Anforderungen des Labors berücksichtigt werden, einschließlich der zu analysierenden Pestizide und der Komplexität der jeweiligen Lebensmittelmatrix. Mit ihrer gleichbleibend hohen Empfindlichkeit über einen breiten Temperaturbereich und geringeren Matrixeffekten bietet die SFC eine zuverlässige und vielseitige Alternative für die moderne Pestizidrückstandsanalyse.
Cutillas betont außerdem, dass die SFC aufgrund der geringeren Abfallmenge eine nachhaltigere Analysemethode darstellt. Das verwendete CO2 ist recycelbar, wohingegen bei der LC eine größere Menge organischer Lösungsmittel zum Einsatz kommt. Darüber hinaus können Labore durch die Verwendung von Geräten wie dem Nexera UC beide Methoden auf derselben Plattform ohne zusätzliche Hardware ausführen.
Wissen ist kompliziert, und oft verbirgt sich hinter dem, was wir zu wissen glauben, nichts anderes als der Schleier unserer Unwissenheit. Was hier zunächst nur als Plan B galt, entpuppte sich überraschend als bahnbrechende Entdeckung. Das wahre Wissen schlummerte schon die ganze Zeit im Verborgenen und wartete geduldig darauf, dass ein neugieriger Wissenschaftler es ans Tageslicht holt. Und nun gibt es dank Víctor Cutillas und dem Team des EURL-FV in Spanien eine effizientere, genauere und nachhaltigere Methode zur Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit. Das Ergebnis ist Fortschritt: für Labore, die Wissenschaft und die Menschheit.
Von Cutillas in dieser vergleichenden Studie verwendete Geräte
- Einheitliches Chromatographiesystem: Nexera UC von Shimadzu
- CO2-Pumpe
- Gegendruckregler
- Triple-Quadrupol-Massenspektrometer: LCMS-8060 von Shimadzu
- Quelle für die Elektrosprayionisation (ESI)
Cutillas V., Ferrer C. & R., Fernández-Alba A. (2021). Liquid chromatography versus supercritical fluid chromatography coupled to mass spectrometry: a comparative study of performance for multiresidue analysis of pesticides. Anal Bioanal Chem. 413: 5849–5857. https://doi.org/10.1007/s00216-021-03565-4