Cyanobakterien: Allgegenwärtige Organismen mit großem Potenzial für die Forschung

Chromatographie unerlässlich bei der Untersuchung der sekundären Metaboliten von Cyanobakterien

Cyano­bakterien: Allgegen­wärtige Organis­men mit großem Potenzial für die Forschung

Chromatographie unerlässlich bei der Untersuchung der sekundären Metaboliten von Cyanobakterien

Dr. Ariel KamińskiJagiellonian University, Faculty of Biochemistry, Biophysics and Biotechnology, Laboratory of Metabolomics
Michał AdamskiW. Szafer Institute of Botany, Polish Academy of Sciences
Saravana SelvarajJagiellonian University, Faculty of Biochemistry, Biophysics and Biotechnology, Laboratory of Metabolomics

Cyanobakterien sind einer der ältesten bekannten Organismen der Erde – 3,5 Milliarden Jahre alt. Sie kommen in nahezu allen Habitaten auf der ganzen Welt vor. Ihre erstaunlich erfolgreiche Anpassung an die unterschiedlichsten Umgebungen verdanken sie einer lang andauernden Evolutionsgeschichte und ihrer Fähigkeit, verschiedene sekundäre Metaboliten zu synthetisieren. Noch behalten diese faszinierenden Mikroorganismen ihre Geheimnisse für sich, doch im Labor für Metabolomik der Jagiellonen-Universität in Krakau sind wir ihnen auf der Spur.

Cyanobakterien oder die unwillkommenen Nebenwirkungen menschlicher Zivilisation

Vor allem im Sommer und Herbst, wenn die Menschen Erholung am Wasser suchen, wächst in Süßwasser massenhaft Phytoplankton, auch als Blaualgen bekannt, und beeinträchtigt Lebewesen im Wasser. Dieses Phänomen tritt rund um den Globus immer häufiger auf und hängt direkt mit den Aktivitäten des Menschen zusammen. Aus Landwirtschaft, Industrie und städtischen Ballungsräumen gelangen immer mehr Verbindungen ins Wasser, unter anderem Stickstoff, Phosphor und organische Biomasse, wodurch der Nährstoffgehalt des Gewässers stetig steigt und es schließlich zur Eutrophierung kommt. Eine solche nährstoffreiche Umgebung löst das Wachstum von autotrophen Mikroorganismen wie Cyanobakterien aus, die zu dem Zeitpunkt häufig der dominante Organismus im Phytoplankton sind.

Die Cyanobakterien sind eine einzigartige und sehr interessante Gruppe von Prokaryoten. Mit einem Alter von fast 3,5 Milliarden Jahren gehören sie zu den ältesten bekannten Organismen auf der Erde und waren die Ersten, die Sauerstoff produzierten. Sie waren der Auslöser der Großen Sauerstoffkatastrophe und des „Rostens der Erde“, in dessen Zuge sich die Zusammensetzung der Lebensformen dramatisch veränderte. Derzeit umfasst die Gruppe der Cyanobakterien 150 Gattungen und über 3.000 Arten. Sie sind in der Lage, durch Photosynthese Sauerstoff freizusetzen, und einige ihrer Vertreterinnen gehören zu den wenigen bekannten Organismen, die in der Lage sind, Stickstoff aus der Atmosphäre zu binden, wodurch sie auch in Umgebungen mit geringem Stickstoffangebot wachsen können. Cyanobakterien treten zwar besonders massiv im Wasser auf, kommen aber auch in praktisch allen anderen Habitaten auf der ganzen Welt vor: in den Eiswüsten der Arktis und Antarktis, heißen Quellen, der Sahara und generell in vielen aquatischen und terrestrischen Umgebungen. Ihre erstaunlich erfolgreiche Anpassung an die unterschiedlichsten Umgebungen verdanken sie einer lang andauernden Evolutionsgeschichte und ihrer Fähigkeit, verschiedene sekundäre Metaboliten zu synthetisieren (Mishra et al., 2019).

Vielleicht kennen Sie Cyanobakterien nicht, aber Sie kennen ihre ökologischen Auswirkungen

Heutzutage werden Cyanobakterien verbreitet als Modellorganismen für die Erforschung von Photosynthese-Signalwegen, Stickstoffbindung, sekundären Metaboliten und Biokraftstoffsynthese genutzt. Sie sind eine wichtige Quelle billiger primärer und sekundärer Metaboliten, zu denen unter anderem bestimmte Arten von pharmazeutischen Verbindungen, Cyanotoxine, Biopestizide und Pflanzenwachstumsfaktoren zählen.

Warum haben so viele Menschen Angst vor Cyanobakterien? Dies hängt wahrscheinlich mit den ökologischen Wirkungen der Cyanobakterienblüte zusammen. Sie kann das Wasser bis zu einer Tiefe von 2 Metern trübe werden lassen und verringert die Intensität der Sonneneinstrahlung im Wasser, was wiederum zu Anoxie (Fehlen von Sauerstoff im Wasser), anaerober Zersetzung von organischer Materie und schließlich zur Verschlechterung sensorischer Werte (Geruch und Geschmack des Wassers) führt. Darüber hinaus ist im Zuge der Zelllyse eine Freisetzung von sekundären Metaboliten, darunter auch Cyanotoxinen, zu beobachten.

Ein breites Toxizitätsspektrum

In der Regel sind an der Cyanobakterienblüte sowohl toxische als auch nicht toxische Cyanobakterienspezies beteiligt. Die weltweit häufigsten bekannten toxischen Süßwasser-Cyanobakterien sind Microcystis, Dolichospermum (früher Anabaena), Aphanizomenon und Raphidopsis (früher Cylindrospermopsis). Diese Cyanobakterien-Gattungen können unter anderem folgende gesundheitsschädliche Cyanotoxine synthetisieren: neurotoxische Anatoxine (ATX), die auf die neuromuskulären Synapsen wirken, neurotoxische Saxitoxine (STX), die als reversible Blocker spannungsgesteuerter Natriumkanäle wirken, zytotoxisches Cylindrospermopsin (CYN), das eine Hemmung der Proteinsynthese, eine Membranproliferation sowie eine Lipidakkumulation in den Zellen induziert und schließlich zum Zelltod führt, und hepatotoxische Mikrocystine (MC), welche die Wirkung von Proteinen im Zytoplasma der Leberzellen modifizieren.

Die Kontamination von Wasser mit Cyanotoxinen schränkt seine Nutzung als Trinkwasser und auch für Aquakulturen, Bewässerung oder Freizeitaktivitäten ein. Dies ist einer der Gründe, weshalb unser Team sich der gründlichen Erforschung der Cyanobakterien und insbesondere der Cyanotoxine gewidmet hat. Wir arbeiten eng mit Wissenschaftlern von Forschungszentren im In- und Ausland zusammen, darunter Prof. Linda Lawton und Prof. Christine Edwards von der Environmental Engineering Research Group der Robert Gordon University in Schottland und Ph.D. Spyros Gkelis, Leiter des CyanoLab an der Biologischen Fakultät der Aristoteles-Universität in Thessaloniki, Griechenland.

Material und Methoden: Flüssigkeitschromatographie

Eine der schnellsten Methoden zum Nachweis und zur Konzentrationsbestimmung von Cyanotoxinen in Wasserproben, die zudem relativ kostengünstig ist, ist die Hochleistungsflüssigkeitschromatographie. In unserem Team im Labor für Metabolomik an der Fakultät für Biochemie, Biophysik und Biotechnologie der Jagiellonen-Universtität in Krakau nutzen wir dazu einen Shimadzu Nexera-i LC-2040C 3D Plus Hochleistungsflüssigkeitschromatographen (HPLC). Innerhalb von 15 Minuten können wir zunächst das Vorliegen von Anatoxin A (ATX-A), CYN und Microcystin-LR (MC-LR) bestätigen oder ausschließen. Die Bestimmung der Toxine erfolgt nach der Methode von Kucała et al. (Kucała et al., 2021). Einfach gesagt besteht die mobile Phase für den Gradienten aus MilliQ-Wasser/Acetonitril (beide mit 0,05 % Trifluoressigsäure sauer eingestellt), wobei die organische Phase über 15 Minuten bei einer Flussrate von 0,75 ml min-1 von 2 % auf 90 % erhöht wird. Die Proben werden auf einer Dr. Maisch ReproSil Gold Säule (120 Å, 3,0 µm, 150 mm x 4,6 mm) bei 40 °C getrennt. Die Kühltemperatur des Autosamplers beträgt 4 °C und die PDA-Zelltemperatur 40 °C. Die Cyanotoxine werden durch einen Vergleich mit den für handelsübliche Standards bestimmten Retentionszeiten und UV-Spektren identifiziert und anhand der Absorption bei 227, 239 und 261 nm für ATX-A, MC-LR bzw. CYN quantifiziert.

Unsere HPLC erfüllt weit mehr als nur unsere Grundanforderungen. Mit der Forschung an den Cyanobakterien bestimmen wir nicht nur die Konzentration von Cyanotoxinen in Umweltproben, sondern finden auch Antworten auf wissenschaftliche Fragestellungen (Nowicka-Krawczyk et al., 2022). Sobald Cyanobakterien im Wasser vorhanden sind, gilt es zu prüfen, wie sich die gewählten physikalisch-chemischen Faktoren, die in Wasseraufbereitungsanlagen zum Einsatz kommen, auf die Stabilität und den Abbau der Bakterien auswirken. Mit der HPLC können wir nicht nur den Grad des Toxinabbaus bestimmen, sondern in manchen Fällen auch die Abbauprodukte nachweisen. Dies waren die ersten Studien, die unser Team durchgeführt hat. Dank des HPLC-Einsatzes konnten wir die Stabilität der ATX- und CYN-Moleküle unter verschiedenen pH-Bedingungen sowie den Einfluss weiterer physikalischer Faktoren wie hoher Temperatur oder UV-Strahlung bestimmen.

Abb. 1: Analyse einer CYN-haltigen Probe zusammen mit den Standards der drei Cyanotoxine

Widersprüchliche Wirkungen von Cyanotoxinen auf Wasserpflanzen

Unser zweites großes Forschungsthema sind die Wirkungen von Cyanotoxinen auf Wasserpflanzen. Da Pflanzen das Fundament der meisten Nahrungspyramiden bilden, erscheint es äußerst wichtig, den Einfluss der sekundären Metaboliten der Cyanobakterien auf die grundlegenden physiologischen Parameter von Pflanzen zu bestimmen, etwa die Intensität von Photosynthese und Respiration sowie die Synthese von Photosynthese-Pigmenten und Stressinduktion (Adamski and Kaminski, 2022). Einige Metaboliten der Cyanobakterien haben einen negativen Effekt, während sich andere positiv auf das Wachstum und die Entwicklung von Pflanzen auswirken. Zudem haben viele Studien gezeigt, dass eine Bioakkumulation von Cyanotoxinen in Wasser- und Landpflanzen wie Salat möglich ist. Deshalb ist es unerlässlich, von der Cyanobakterienblüte betroffene Oberflächengewässer, die auch für die Bewässerung von landwirtschaftlichen Flächen genutzt werden, zu überwachen. Unsere Ausrüstung erlaubt es uns außerdem, das Vorliegen sekundärer Metaboliten von Cyanobakterien in Pflanzenproben nachzuweisen oder auszuschließen (Kucala et al., 2021).

Phytosanierung als Methode zur Adsorption von Kontaminanten aus der Umwelt

In unseren Versuchen nutzen wir das Potenzial von Pflanzen, verschiedene Substanzen aus der Umwelt biologisch zu akkumulieren, auch beim Phytosanierungsverfahren. Phytosanierung ist eine Technologie, bei der Pflanzen dazu eingesetzt werden, Gefahrstoffe aus der Umwelt zu entfernen. Schnell wachsende Pflanzenarten sind besonders nützlich für die Phytosanierung. Sie können durch ihre stärkere Aufnahme von Wasser, Nährstoffen und Schadstoffen mehr Umweltschadstoffe aufnehmen als andere Pflanzen. Eine Modellpflanze, die sich durch ein sehr schnelles Wachstum auszeichnet, ist die Weide, die pro Jahr um bis zu 2 Meter wachsen kann. Aufgrund dieser Eigenschaft und der hohen Unempfindlichkeit der Weide gegen Schwermetalle verwendet der Mensch sie schon seit vielen Jahren, um diese schädlichen Elemente per Phytoextraktion dem Boden zu entziehen. Der Einsatz von Pflanzen für die Reinigung der Umwelt beschränkt sich jedoch nicht auf Schwermetalle. Dank der unschätzbar wertvollen Arbeit der Pflanzen können wir Kontaminanten in der Umwelt, beispielsweise Agrarchemikalien, künstliche Pigmente, Nanomaterialien, organische Schadstoffe, Pharmazeutika und Pflegeprodukte sowie Erdölkohlenwasserstoffe, reduzieren. Die Weide eignet sich trotz ihrer vielen Vorteile nicht für die Arbeit im Labor und wächst nicht in Wasser, weshalb wir uns entschlossen haben, die Phytosanierung von Cyanotoxinen mithilfe der beliebten Wasserpflanze Lemna trisulca (Dreifurchige Wasserlinse) zu untersuchen. Mittels chromatographischer Analysen können wir nicht nur den Toxingehalt in der Biomasse der Cyanobakterien sowie die Konzentration im Wasser bestimmen, sondern auch das Vermögen, sie durch Pflanzen zu absorbieren. Im Fall der getesteten Cyanobakterien-Toxine konnten wir eine Phytoakkumulation von ATX-A und eine Stabilisierung der Konzentration von CYN und MC-LR nachweisen, wenn der Makrophyt gemeinsam mit den gemischten Cyanobakterienkulturen kultiviert wurde.

Zukunftspläne

Wir planen, unsere Erforschung von Cyanobakterien und Flechten weiterzuentwickeln, insbesondere die Suche nach neuen sekundären Metaboliten mit biotechnologischen Anwendungsmöglichkeiten. Dazu gehört auch die Untersuchung des Einflusses ausgewählter physikalisch-chemischer Bedingungen oder Wechselwirkungen mit anderen Organismen auf die Synthese ausgewählter Metaboliten. Falls wir die entsprechende Finanzierung erhalten, hat es für uns auch Priorität, unsere Ausrüstung um ein kompatibles Massenspektrometer zu ergänzen, das uns die Durchführung umfassender Studien gestatten wird.

Literatur

  • N-Methylamino-L-Alanine and Domoic Acid on Antioxidant Properties of Glutathione. Life 2022, Vol. 12, Page 227 12, 227. https://doi.org/10.3390/LIFE12020227
  • Kucała, M., Saładyga, M., Kaminski, A., 2021. Phytoremediation of CYN, MC-LR and ANTX-a from Water by the Submerged Macrophyte Lemna trisulca. Cells 10, 699. https://doi.org/10.3390/cells10030699
  • Mishra, A.K., Tiwari, D.N., Rai, A.N., 2019. Cyanobacteria : From Basic Science to Applications, Academic Press.
  • Nowicka-Krawczyk, P., Żelazna-Wieczorek, J., Skrobek, I., Ziułkiewicz, M., Adamski, M., Kaminski, A., Żmudzki, P., 2022. Persistent Cyanobacteria Blooms in Artificial Water Bodies – An Effect of Environmental Conditions or the Result of Anthropogenic Change. Int. J. Environ. Res. Public Heal. 2022, Vol. 19, Page 6990 19, 6990. https://doi.org/10.3390/IJERPH19126990
Abb. 1: A. Kamiński im Labor für Metabolomik
Abb. 2: M. Adamski im Labor für Botanik