“Das geht doch auch einfacher“ – Massen-
spektrometrie neu gedacht

Innovative Ionenquelle überwindet Grenzen in der Analyse

Petra Romero, Plasmion GmbH

Jan-C. Wolf, Gründer der Plasmion GmbH, war schon während seines Studiums von der Idee getrieben, die Massenspektrometrie zugänglicher, einfacher und effizienter zu gestalten. Mit der Entwicklung der SICRIT®-Ionenquelle liefert er einen bedeutenden Beitrag dazu: Diese universell einsetzbare Innovation macht Massenspektrometrie anwenderfreundlicher, leistungsstärker und nachhaltiger.

Die Vision einer zugänglicheren Massenspektrometrie

Schon während seiner Studienzeit an der TU München beschäftigte sich Jan-C. Wolf intensiv mit der Entwicklung von Instrumenten und Methoden, insbesondere mit Massenspektrometern. Dabei bemerkte er schnell, dass die spezifischen Abhängigkeiten zwischen Separation und MS-basierter Detektion, d. h. historisch bedingte technische Abgrenzung zwischen GC-MS und LC-MS, eine Komplexität mit sich bringen, die Laborprozesse aufwendig und zeitintensiv macht. Wolf war überzeugt: „Das muss doch einfacher gehen!“ Diese Überzeugung begleitete ihn bis in seine Postdoc-Zeit an der ETH Zürich. Dort arbeitete er mit Prof. Renato Zenobi, Professor für Analytische Chemie am Laboratorium für Organische Chemie, an der Entwicklung einer sog. ambienten Ionenquelle zusammen. Ziel war es, eine Technologie zu erschaffen, welche die Vor-Ort-Analyse von volatilen organischen Verbindungen (z. B. Duft-, Aroma- oder chemische Kampfstoffe) ermöglicht.

Mit der SICRIT®(Soft Ionization by Chemical Reaction in Transfer)-Technologie entwickelte Wolf eine nahezu universelle Ionenquelle für die Massenspektrometrie. Das Potenzial war schnell offensichtlich: Kollegen am Institut wollten diese neue Technologie selbst nutzen – die Geschäftsidee für Plasmion war geboren. Das in Augsburg ansässige Unternehmen vertreibt seit 2018 die SICRIT®-Technologie und ist seit diesem Jahr offizieller Partner der Shimadzu Corporation. In Zusammenarbeit realisieren Shimadzu und Plasmion Projekte in den Bereichen Marketing und Vertrieb sowie im Bereich der Forschung, wo sie gemeinschaftlich die Möglichkeiten und Grenzen der Ionenquelle in Kombination mit verschiedenen Shimadzu-Geräten testen.

Petra Romero Plasmion GmbH
Jan-C. Wolf Plasmion GmbH

Funktionsweise der SICRIT®-Ionenquelle

Das Prinzip der SICRIT®-Ionenquelle ist denkbar simpel: Die Quelle wird mit wenigen Handgriffen (Plug & Play) direkt am Atmosphärendruckeinlass des (LC-)Massenspektrometers montiert. Bei der Montage wird die bestehende Quelle abgenommen, ein spezieller Adapter auf dem Einlass des Massenspektrometers angebracht und die Quelle mit einem Kugelrastverschluss einfach „aufgeklickt“, sodass eine gasdichte Verbindung zwischen der Quelle und dem Vakuum des Geräts hergestellt wird. Volatile bzw. verdampfte Stoffe werden durch das Vakuum angesaugt und im Durchfluss durch einen kalten Plasmaring in der Quelle ionisiert. Diese Ionisationsform ist effizient, vergleichbar sanft wie Elektrosprayionisation, deckt aber im Vergleich zu dieser nahezu den kompletten chemischen Polaritätsbereich ab (von Aminosäuren bis Alkanen), denn SICRIT® kann aufgrund des einzigartigen Ionisationsmechanismus sowohl unpolare (typisch GC) als auch polare (typisch LC) Analyten ionisieren.

Einzige Limitation dieser Technologie ist jedoch: Was man nicht verdampfen oder in die Gasphase überführen kann, kann man auch nicht messen. Dies umfasst sehr große Moleküle wie beispielsweise Proteine. Ein weiterer Aspekt, der der Analyse großer Moleküle entgegensteht, ist die Tatsache, dass bei dieser Form der Ionisation keine Mehrfachladungen am Analyten erzeugt werden: Im Gegensatz dazu werden bei der Elektrosprayionisation, der Standardionisationsmethode für große Moleküle, mehrere Ladungen gebildet und über Zerstäubung am Analyten „angebracht“. Dadurch wird der Analyt mit der beispielhaften Masse von 100.000 m/z und 20 angebrachten Ladungen auf den m/z-Wert von 5.000 reduziert und fällt somit in den Massenbereich des Massenspektrometers.

Video 1: Funktionsweise SICRIT®-Ionenquelle

Zahlreiche Kombinationsmöglichkeiten

Ein entscheidender Vorteil der SICRIT®-Ionenquelle ist ihre Vielseitigkeit. Neben der MS-Direktmessung ermöglicht sie durch verschiedene Module die Kombination aller gängigen chromatographischen Methoden, wie z. B. Gaschromatographie (GC), Flüssigchromatographie (LC) und überkritischer Fluidchromatographie (SFC), mit einem (LC-)MS-Gerät.

Bestimmte Analysen, die bis dato mit unterschiedlichen chromatographischen Methoden und speziellen MS-Geräten durchgeführt werden mussten, können dadurch auf ein und demselben LC-MS-Gerät gefahren werden, wodurch die historische Trennung zwischen LC-MS- und GC-MS-Märkten ein Stück weit aufgehoben wird.

Abbildung 1: Illustration Shimadzu GC, SICRIT®-Plug-&-Play-Kopplung eines Shimadzu LC-MS Q-TOF

Anwender profitieren dadurch von hochaufgelöster GC-MS – durch die Kombination eines
LCMS-9030 Q-TOF mit einem GC (Abbildungen 1 und 2) entsteht beispielsweise eines der leistungsstärksten Analysesysteme auf dem Markt: ein System, das die Stärken eines GC (unpolare Analyten und hohe Trennleistung) mit den Stärken eines LC-MS (höhere Auflösung, polare Analyten) kombiniert. Die SICRIT®-Ionenquelle dient dabei als Bindeglied, welches über die Ionisationsbreite (unpolar/polar) und die weiche Ionisation die beiden Analyseverfahren verbindet. Dieses System hat das Potenzial, Massenspektrometrie neu zu denken: Es macht chemische Analysen einfacher und nachhaltiger mit gleichzeitig besseren Ergebnissen.

Grenzen überwinden für eine einfachere Analyse

Ein anschauliches Beispiel dafür ist die Pestizidanalytik, denn aufgrund ihrer chemischen Diversität müssen Pestizide sowohl via GC-MS als auch via LC-MS untersucht werden. Labore benötigen also mehrere Geräte und Workflows für ein Gesamtbild. Um diesen Aufwand künftig zu reduzieren, nutzt das Team von Plasmion zurzeit den einzigartigen Ionisierungsbereich von SICRIT® zur Entwicklung einer umfassenden GC-basierten Pestizidmethode. Wichtigste Voraussetzung für eine solche konsolidierte Methode: Die vorgegebenen Grenzwerte (LODs) müssen eingehalten werden können. Hierfür wurden in einem ersten Satz 74 LC-gängige Pestizide aus drei Standards (Restek GmbH) – Organophosphorverbindungen, Organostickstoffverbindungen und Hydramethylnon – mittels GC-SICRIT®-Q-TOF (Shimadzu LCMS-9030) untersucht (Abbildung 3).[1] Dabei wurde eine Verdünnungsreihe von 1 bis 1.000 ng/ml in Toluol angesetzt, via 1 µl Splittless-Injektion aufgegeben und in Triplikaten vermessen. Als Säule wurde eine HP-5ms-Säule mit Wasserstoff als Trägergas verwendet.

Die Ergebnisse zeigen, dass die GC-SICRIT®-Methode auch für in der LC-MS sehr problematische Pestizide wie Folpet einen sicheren Nachweis unter Einhaltung der von der Europäischen Union spezifizierten LODs ermöglicht.

Abbildung 2: Shimadzu GC mit SICRIT®-Plug-&-Play-Kopplung eines Shimadzu LCMS-9030 Q-TOF
Abbildung 3: Nach EU-Richtlinie berechnete LODs einer GC-SICRIT®-Q-TOF-Analyse von Restek, Pestizidstandards #1, #5 und #8 (links). Vergleich von LC- und GC-Läufen für drei beispielhafte LC-Pestizide, gemessen mit LC-SICRIT®-Q-TOF (rechts oben) und GC-SICRIT®-Q-TOF (rechts unten).

Verbesserte Nachhaltigkeit dank Kombinationsvorteilen

SICRIT® basiert auf Massenspektrometern mit Atmosphärendruck-Einlass (AP-MS), die im Vergleich zu herkömmlichen GC-MS-Systemen über leistungsstärkere Pumpen verfügen. So können wesentlich höhere Flussraten (bis zu 200 ml/min) von Wasserstoff in der GC-Kopplung verwendet werden. Dies ermöglicht analog zur Entwicklung der UHPLC nun eine deutliche Verkürzung der Analysezeiten. Allein die Umstellung von Helium auf Wasserstoff bringt bereits einen Geschwindigkeitsvorteil von 40 % (Abbildung 4). Durch die Verwendung höherer Flussraten kann die Analysedauer um mehr als 80 % reduziert werden. Die Verwendung von Wasserstoff als Trägergas geht hier sogar mit einer Sensitivitätssteigerung einher – ganz im Gegensatz zum Sensitivitätsverlust von Wasserstoff in Kombination mit einer Elektronenstoßionisation (typisch für GC-MS). Der Wasserstoff kann direkt über einen Generator aus Wasser und Strom erzeugt werden und ist daher erheblich nachhaltiger als die knappe Ressource Helium.

Abbildung 4: GC-SICRIT®-MS-Chromatogramm eines Aromastandards bei direkter Umstellung von Helium auf Wasserstoff

Out-of-the-Box-Denken für bessere Ergebnisse

Die Kopplung von GC mit LC-MS bietet auch Vorteile in der pharmazeutischen Qualitätskontrolle. Die sensitive Ionisation zusammen mit der hervorragenden Trennleistung einer Gaschromatographie ermöglicht die direkte Identifikation von Verunreinigungen in Pharmazeutika sowie deren Ultraspurennachweis bei karzinogenen Verbindungen wie Nitrosaminen. Die entsprechende Untersuchung mittels einer LCMS- 9030 SICRIT®-GC-Kopplung hat sich als eine der sensitivsten Nitrosamin-Anwendungen auf Shimadzu LC-MS-Geräten erwiesen.

Aufgrund der ungewöhnlichen Kopplung lassen sich die Ergebnisse nur schwer mit bestehenden Analysen vergleichen. Stellt man jedoch den wohl plausibelsten Vergleich zu einer entsprechenden von Shimadzu veröffentlichten Analyse an, die auf demselben Gerät, jedoch mit einer APCI-Quelle (der Standardionisationsmethode für Nitrosamine) und einer LC durchgeführt wurde, so ermöglicht diese ungewöhnliche Kopplung über die SICRIT®-Quelle sogar eine Sensitivitätssteigerung um einen Faktor von 40 (Abbildung 5).[2]

Abbildung 5: Beispiel Chromatogramm (0,3 ng auf der Säule) und Zusammenfassung der Analyseergebnisse einer Nitrosamin-Messung mittels GC-SICRIT®-Q-TOF mit Wasserstoff als Trägergas

Effizienz trifft Nachhaltigkeit – ein Paradigmenwechsel in der Laborwelt

Die effiziente Nutzung unserer Ressourcen sowie der Einsatz klimafreundlicherer Analytik sind Herausforderungen, denen sich jedes Labor, sei es in der Qualitätssicherung, der Forschung oder der Routineanalytik, in Zukunft stellen müssen. Die SICRIT®-Ionenquelle bietet die Möglichkeit, etablierte Prozesse neu zu denken, um damit nicht nur die Effizienz, sondern auch die Nachhaltigkeit der Analytik zu verbessern: reduzierte Analysezeiten, Einsparung von Geräten und Substitution knapper Ressourcen wie Helium – ein echter Gewinn nicht nur für Labore, sondern auch für die Umwelt und letztendlich für uns alle.
Ganz im Sinne des Erfinders Jan-C. Wolf: „Das geht tatsächlich auch einfacher.“ – und sogar besser.